"Apropos Erinnern: 'Pink Turns Blue' sangen Hüsker Dü ihrerzeit, und es wird ihnen kaum
bewusst gewesen sein, welch weitreichende Folgen das hatte, denn 'Pink Turns Blue' nannte
sich wenig später eine mäßig interessante Halb-Gothic-Band aus Köln, die noch etwas später
in einem mäßig bekannten Club im Westfälischen spielte und damit dafür sorgte, dass sich
hinter der Bühne die Ursuppe des Cucumber Lounge Orchestra bildete: Drei junge Menschen,
die nicht nur keinen Halb-Gothic, sondern auch sonst alles besser machen wollten.
Aus der Ursuppe bildete sich tatsächlich eine lebende Band; eigentlich hatten ohnehin nur
ein Schlagzeuger und eine Geigerin gefehlt. Die frühen Auftritte des Cucumber Lounge
Orchestra verbanden die instrumentelle Perfektion eines Daniel Johnston mit der disziplinierten
Bühnenshow eines Julian Cope. Diese Konzerte bereiteten den Besuchern und vor allem den
Clubbesitzern unvergessliche Erlebnisse.
Seitdem ist viel Zeit vergangen. Bassisten kamen und gingen oder blieben, Sängerinnen
ebenso. Sogar einen Keyboarder will man im Dunstkreis der Band gesehen haben, die
vorübergehende Existenz eines zweiten Gitarristen konnte jedoch bisher nur unzureichend
belegt werden. Der Stil ging dabei zunächst vom experimentellen Country-Pop der Frühphase
in psychedelischen, lyrischen Folk über, später dann zum Art-Rock der späten neunziger
Jahre und schließlich zum kybernetischen Art-Disco-Folk-Free-Rave der 2010er Jahre.
Die vorliegende CD stellt das Frühwerk der Jahre 1994 bis 2001 vor. Die Zeit also, als das
Cucumber Lounge Orchestra nur einem kleinen, aber umso hingebungsvolleren Fankreis
bekannt war. Als Cucumber-Lounge-Klingeltöne noch selbst programmiert werden mussten,
als Cucumber-Lounge Veröffentlichungen noch nicht die Downloadseiten dominierten, und
als ihr Weg zum Studio noch nicht von Menschentrauben, sondern von brennenden Ölfässern
gesäumt wurde.
Aus heutiger Sicht erscheint es unvorstellbar: die Band, die mittlerweile eine eigene Teleport-
Technologie für sich entwickeln lassen konnte, um die Tourneen angenehmer zu gestalten,
musste bis in die 2000er Jahre hinein selbst zu ihren Auftritten fahren - in benzinbetriebenen
Kleinbussen aus der DDR. Ihre aus heutiger Sicht erbärmlich Studioausrüstung mussten sie
selbst kaufen, und ihre Musik auf Magnetbänder aufnehmen.
Wundern Sie sich also nicht, wenn sechs von acht Lautsprechern stumm bleiben, denn diese
Songs wurden noch im Stereo-Format des zwanzigsten Jahrhunderts aufgenommen. Doch
der aufmerksame Hörer wird gerade in dieser reduzierten Technik einen besonderen Reiz
entdecken. Lassen Sie Ihre VR-Helme im Schrank, ziehen Sie den Stecker aus Ihren Frontal-
Lobe-Elektroden und genießen Sie eine Reise in die musikalische Vergangenheit: Das
Cucumber Lounge Orchestra der Jahrtausendwende im Klangbild der Jahrtausendwende!"
 
Ann-Christine Mecke, Thorsten Rock (Berlin und Stendal, 2015)